Der letzte Schuss ist gefallen
Ganze 58 Jahre bestand die Jagdschiessanlage Au in Embrach im Kanton Zürich. Seit dem 17. Juni 2023 herrscht dort für immer Hahn in Ruh.

Tausende Jägerinnen und Jäger sowie Sportschützen aus dem Kanton Zürich und den umliegenden Kantonen durchliefen bereits die Hallen in der Jagdschiessanlage Au in Embrach im Kanton Zürich. Während unzähliger Stunden wurde dort die Schiessfertigkeit trainiert. Wahrscheinlich wurden ebenso viele Stunden auch der Geselligkeit und der Kameradschaft gewidmet. Jährlich absolvierten dutzende Jungjägerinnen und Jungjäger ihre Schiessprüfung in Embrach. Die Schiessanlage wurde von zahlreichen Vereinen, Clubs und Firmen reserviert. Kurzum: Die Anlage war sicherlich für viele ein prägender Ort. Doch nun ging die Ära Embrach nach 58 Jahren zu Ende – am 17. Juni fiel definitiv der letzte Schuss. Die Anlage wurde aufgrund einer Altlastensanierung geschlossen (JAGD&NATUR berichtete in der Ausgabe 2/2022).
Hohe Frequentierung bis zum Schluss
JAGD&NATUR nahm dies zum Anlass, ein letztes Mal einen Blick in die Jagdschiessanlage zu werfen, und traf Betriebsleiter Martin Hofmann zum Interview. Seit April 2014 war er das Herz und die Seele des Betriebs. Bis Ende Oktober bleibt er bei der Schiessanlage angestellt. Er wird sich noch dem Rückbau der Anlage widmen. Das Gebäude wird danach abgerissen.
Auf die Frage, wie es ihm nach der Schliessung geht, antwortet der 57-Jährige: «Ich dachte immer, ich würde in Wehmut verfallen. Ich war aber froh, dass es endlich fertig war. Die Anlage war wirklich am Ende.» Die Frequentierung der Anlage war in den letzten drei Monaten ihres Bestehens ausserordentlich hoch. «Ich glaube, es wollten alle nochmals hierherkommen, sich verabschieden oder das Bedingungsschiessen absolvieren», erklärt Martin Hofmann. «Die Maschinen waren am Anschlag. Ich kam fast nicht mehr nach mit Reparieren.»
Martin Hofmann war seit 2014 der Betriebsleiter der Jagdschiessanlage Au in Embrach. (Bild: Nathalie Homberger)
Ausbildung und Training gewährleisten
Dass eine Altlastensanierung der Anlage in Embrach durchgeführt werden soll, war schon lange bekannt. Der jahrzehntelange Schiessbetrieb hat auf dem Areal seine Spuren hinterlassen: Im Boden hatten sich Schadstoffe abgelagert. Die in einer mittlerweile bundesrechtlich geschützten Auenlandschaft gelegene Anlage musste deshalb saniert werden. Um die vielfältige Flora und Fauna auf dem Areal zu erhalten, wird die Sanierung in zwei Etappen durchgeführt. Die erste Sanierungsetappe ist bereits abgeschlossen. Dabei wurde das mit Blei und PAK (Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) belastete Erdreich abgetragen. Dazu musste ein grosser Teil des Waldes im Projektgebiet gerodet werden.
Die erste Sanierungsetappe betraf die Schiessanlage insofern, als im Jahr 2019 der Trap- und Skeetstand sowie der Jagdparcours im Aussengelände geschlossen wurden. Der Schiessbetrieb der Kugelanlagen konnte parallel zur ersten Sanierungsetappe in stark reduzierter Form aufrechterhalten werden. Ein Muss, ist es doch die Aufgabe des Kantons, im Rahmen der Jagdprüfung und des Treffsicherheitsnachweises die Aus- und Weiterbildung mit der Jagdwaffe gewährleisten zu können. Mit der Eröffnung der neuen Jagd- und Sportschiessanlage WiDSTUD in Bülach hiess es deshalb im Juni endgültig Hahn in Ruh für die Jagdschiessanlage Au in Embrach.
Diffizile Anlage
Für Martin Hofmann war von Anfang an klar, dass er der Anlage in Embrach und den Betreibern (bestehend aus dem Kanton, dem Jagd-Club Zürich sowie JagdZürich) bis zum Schluss erhalten bleibt. «Ich hatte versprochen, dass ich so lange hier bleibe, wie man mich braucht», erklärt er. Die Übergangszeit seit 2019 stellte für Martin Hofmann jedoch eine Herausforderung dar. Er konnte in Hinblick auf das nahende Ende keine Investitionen mehr in die Anlagen tätigen. So wendete er viel Zeit für Reparaturen auf. «Wenn eine Anlage aber derart diffizil ist, dann musst du vor allem vorausdenken», so Martin Hofmann. Zudem standen die Betreiber aufgrund der Corona-Pandemie ganz anderen Herausforderungen gegenüber. Nichtsdestotrotz war ein einwandfreier Schiessbetrieb bis zum Schluss gewährleistet.
Unzählige Jägerinnen und Jäger sowie Schützen trainierten in Embrach ihre Schiessfertigkeiten. (Bild: Nathalie Homberger)
Schiessfertigkeit massiv verbessert
Das Reparieren, die Maschinen am Laufen halten und die Anlage in Schuss halten gehörten zu den Haupttätigkeiten von Martin Hofmann. Dank seiner vorherigen Anstellung als Servicemechaniker in der Schwerindustrie und der jahrelangen Jagdausübung – er ist Pächter in zwei Revieren in Zürich – war er prädestiniert für diese Tätigkeit. Reparaturen konnte er jedoch nur ausserhalb der Öffnungszeiten erledigen. So kam es nicht selten vor, dass der Betriebsleiter nachts oder an den Wochenenden in Embrach anzutreffen war. «Schlussendlich waren wir ein Dienstleistungsbetrieb. Wenn etwas nicht lief, dann störte mich das.»
Auch wenn Martin Hofmann die letzten zehn Jahre eine grosse Verantwortung trug, so möchte er die Zeit nicht missen. «Es war eine sehr schöne, interessante, aber gleichzeitig auf fordernde Zeit. Ich habe viele Personen kennengelernt und konnte unter anderem bei der Ausbildung der Jungjäger mithelfen», so der Betriebsleiter. «Ich durfte zudem selbstbestimmt arbeiten. Das war mir sehr wichtig.»
Und was lag Martin Hofmann die letzten zehn Jahre besonders am Herzen? «Dass die Leute, die hierherkommen, eine fundierte Ausbildung erhalten und etwas lernen können», antwortet er. Ihm war es wichtig, dass er unter anderem den älteren Besuchern sowie den unerfahrenen Jungjägern mit Rat und Tat zur Seite stehen konnte. Und dies alles in familiärer Atmosphäre. Ein Jahrzehnt erlebte Martin Hofmann in Embrach hautnah die Entwicklung der Schiessfertigkeit von zahlreichen Jägern und Schützen. Was ihm dabei auffiel: Diese habe sich in den letzten Jahren massiv verbessert, was unter anderem auch an dem jährlichen Bedingungsschiessen liegt.
Bis Ende Oktober ist Martin Hofmann noch angestellt. «Danach werde ich mich ein wenig den Herbstjagden widmen.» Er sieht der Zukunft sehr gelassen entgegen. Mitte Dezember zieht es ihn für ein Jahr nach Ungarn, wo er sich der Renovierung seines Hauses widmen wird. Spätestens am 2. Mai wird er aber wieder auf der Jagd in einem seiner Zürcher Reviere anzutreffen sein.
Text: Nathalie Homberger
Hauptbild: Martin Hofmann
Zweite Sanierungsetappe
Die zweite Sanierungsetappe der Altlastensanierung Jagdschiessanlage Au in Embrach wird voraussichtlich Ende 2024 beginnen. Zwischen den beiden Sanierungsetappen liegt eine längere Pause. Dies sei bewusst gewählt worden, um den Pflanzen und Tieren Zeit zu lassen, sich auf dem Areal wieder zu etablieren. In der zweiten Etappe wird die Rekultivierung des Gebietes fertiggestellt. Die Fläche des bestehenden Flachmooses würde sich gemäss dem Kanton Zürich dadurch verdreifachen. Das Gebiet werde sich in die bestehenden Lebensräume mit Mooren und Wasserläufen einfügen. Ziel der Sanierung sei es, ein vielfältiges Nebeneinander von trockenen und feuchten Standorten zu etablieren, was beste Voraussetzungen für eine hohe Biodiversität bedeute.
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